Mein NVA Dienst bei den Wetterfröschen

 

Alles begann am 05. September 1989 mit meiner Einberufung an die MTS der LSK / LV „Harry Kuhn“ in Bad Düben. Ich war zum damaligen Zeitpunkt 18 Jahre alt und hatte nur wage Vorstellungen von dem, was da auf mich und die anderen Frischlinge zukommen würde. Die meisten von uns hatten sich für drei Jahre als UaZ verpflichtet. Nach unserer Ankunft wurden wir auf die einzelnen Kompanien aufgeteilt und eingekleidet. Die Zivilsachen gingen umgehend per Post zurück nach Hause. Ich wurde dem 3. Zug der 420. Kompanie zugeteilt. Wir waren insgesamt 15 Mann und belegten die Zimmer 318 bis 320, ich selbst war im Raum 319 untergebracht. Wie sich später herausstellen sollte, waren wir alle für den Wetterdienst der NVA vorgesehen. Nach ungefähr zwei Tagen, als alle Formalitäten und vor allem die Friseurbesuche abgeschlossen waren, begann die militärische und kurze Zeit später auch die fachliche Ausbildung.

 

 

 

1. Militärische Grundausbildung an der MTS der LSK / LV in Bad Düben

 

Die militärische Ausbildung begann eigentlich mit dem Üblichen. Lernen, wie man exakt sein Bett baut, wie man seine Sachen akkurat übereinander ablegt, wie der Schank einzuräumen ist und wie die Stiefel auszusehen haben. Manche haben es sofort begriffen, andere nie. Aber man hatte ja die Gewissheit, dass der Hauptfeldwebel zum täglichen Stubendurchgang alles kontrollierte und seine Meinung zum Zustand der Zimmer und der Ausrüstung auch unmissverständlich äußerte.

 

Des Weiteren wurden wir in den ersten Tagen auch in einige Dienstvorschriften eingewiesen, man teilte uns unsere Rechte und Pflichten als Soldat mit und wir wurden über verschiedene weitere Verhaltensweisen belehrt.

 

Dienstvorschriften:

 

Allgemeine Rechte des Soldaten:

 

Pflichten des Soldaten:

 

Belehrung über verschiedene Verhaltensweisen:

 

Belehrung über das Verhalten im Dienst:

 

Wir wurden in den ersten Tagen in Bad Düben auch über verschiedene Belobigungen für besonders gute Leistungen und Bestrafungen bei Fehlverhalten informiert. Für den einzelnen Armeeangehörigen waren folgende Belobigungen möglich:

 

Für militärische Kollektive gab es folgende Möglichkeiten der Belobigung:

 

Nach der Belobigung hat der Soldat mit: „Ich diene der Deutschen Demokratische Republik“ zu antworten. Im Gegensatz dazu, gab es als disziplinarische Maßnahme auch verschiedene Bestrafungen, hierzu zählten:

 

Weiter ging die Ausbildung mit marschieren und exerzieren und vor allem dem richtigen grüßen von Vorgesetzten, je nach dem, ob man eine Kopfbedeckung auf hatte oder nicht. Das übte man dann auch schon mehrmals, wenn es nicht klappte. An manchen Tagen hätte man seine Hand an der Mütze ankleben können.

 

Als ich nach Bad Düben kam, gab es für kurze Zeit noch Frühsport. Wecken war um 05.30 Uhr durch den UvD, der dann auch schon „420. Kompanie, fertigmachen zum raustreten, Anzugsordnung: rot-gelb !“ brüllte. Drei Minuten später stand die ganze Kompanie in Sportsachen angetreten auf dem Flur. Dann gab es für 15 bis 20 Minuten Frühsport. Meist stand Dauerlauf, Kraftsport mit Geräten (z.B. Kettenglieder vom Panzer) oder Gymnastik auf dem Plan. In Sachen Frühsport hatte ich etwas Glück. Ich war einer von den drei oder vier Leuten, die nach kurzer Zeit für den Frühsport der Kompanie verantwortlich waren. Das hieß im Klartext, man stellte sich vorne hin und sagte was zu machen ist. In dieser Position war der Frühsport schon wesentlich angenehmer. Zur Anzugsordnung kann man sagen, dass nicht die Wetterlage sondern die NVA bestimmte, was getragen wird. Solange der Trainingsanzug nicht befohlen war, blieb er im Schrank. Lange gab es Ihn allerdings nicht, den Frühsport, ich denke, dass er im November 1989 abgeschafft wurde.

 

Nach dem Frühsport dann die Morgentoilette, Betten bauen, Zimmer und Reviere reinigen und anschließend wurde geschlossen zum Frühstück marschiert. Der weitere Tagesablauf gliederte sich meist in verschiedene fachliche und militärische Unterrichtseinheiten. Einmal die Woche, meist am Freitag, war das große Stuben- und Revierreinigen, bei dem der gesamte Kompaniebereich auf Hochglanz gebracht werden sollte. Ein Zimmergenosse und ich hatten gemeinsam das Stück Kompanieflur vor den Räumen des dritten Zuges, sowie den hinteren Treppenaufgang. Keine große Sache eigentlich und die Zeit reichte auch immer locker aus. Richtig schlecht war man allerdings dran, wenn man solche Reviere wie KC- oder HFW-Dienstzimmer, Toiletten oder auch die Kaffeestube hatte. Die wurden meist sehr genau kontrolliert und Nachbesserungen waren da an der Tagesordnung, natürlich zu Lasten der Freizeit.

 

Ganz besonders unbeliebt waren die zusätzlichen Dienste, die man an der MTS in Bad Düben machen musste. Offiziell für die Ordnung und Sicherheit der Kompanie zuständig, war man als UvD oder GUvD eigentlich auch immer nur derjenige, bei dem der Hauptfeldwebel oder der Kompaniechef Druck abgelassen haben. Als ich eines Tages auf der 420. Kompanie UvD war, zog es einer unserer Kameraden vor, nicht aus dem Urlaub zurückzukehren. Das gab vielleicht einen Stress. Sowohl der KC als auch der Hauptfeld fragten alle 10 Minuten, ob er denn schon da sei oder ob ich etwas Neues über seinen Verbleib wisse. Ich konnte immer nur mit „Nein“ antworten. Der GUvD wurde darüber hinaus auch für alle möglichen Botengänge und Besorgungen missbraucht. Es gab nur eine einzige Ausnahme, bei der diese beiden Dienste erträglich waren, nämlich dann, wenn mal wieder Gefechtsalarm war. Dann war so gut wie keiner, meist auch kein Vorgesetzter auf der Kompanie. Ein weiterer Dienst war der GOvD, der „Gehilfe des Offiziers vom Dienst“, eigentlich auch nur ein Laufbursche.

 

Besonders gehasst aber wurde der Küchen- und Speißesaaldienst. Er begann gegen 04:30 Uhr und endete mit etwas Glück 20:30 Uhr. Aber nur dann, wenn auch alles in Ordnung und sauber war. Der absolute Höhepunkt bei diesem Dienst war der Einsatz in der Topfspüle, der aber glücklicherweise an mir vorübergegangen ist. Beim Küchendienst lernte der junge Rekrut alles nötige für die weitere militärische Laufbahn: Seih nie der Erste, sei nie der Letzte, melde dich niemals freiwillig, wofür auch immer und das wichtigste, tarnen und verdrücken in offenem Gelände. Mit diesen Grundsätzen waren diese Dienste, vor allem der Küchendienst, einigermaßen erträglich.

 

Ein besonderes Kapitel der Grundausbildung soll hier nicht unerwähnt bleiben: Die „Rotlichtbestrahlung“ oder gesellschaftswissenschaftliche Ausbildung (GWA), wie es offiziell hieß.

 

 

Ausbildungsunterlagen für das Fach GWA an der MTS LSK / LV in Bad Düben, Herbst 1989

 

Die GWA umfasste folgende Fächer:

Die typische Organisationsform in dieser Ausbildung war Vorlesung, Selbststudium und Seminar. Im Selbststudium hatten wir meist als Aufgabe, wichtige Passagen einer Rede oder eines Parteiprogramms herauszuarbeiten und diese Stellen im Text zu unterstreichen. Bei dieser Aufgabenstellung war man recht schnell fertig, denn man konnte einfach irgendetwas unterstreichen, war ja schließlich alles wichtig. So hatte man sich nach kurzer Zeit des Selbststudiums entsprechende Freizeit (für die wirklich wichtigen Dinge) geschaffen.

 

Die Themen dieser Unterrichtseinheiten möchte ich hier auszugsweise vorstellen:

Und alles das wurde von den Politoffizieren noch zu einem Zeitpunkt (September bis November 1989) vermittelt, als abzusehen war, das der „siegende Sozialismus“ in der DDR langsam aber dennoch unüberhörbar „до свидания“ sagt.

 

 

 

Abbildung aus „NVA-Kalender“, Militärverlag der DDR, 1980

 

Neben diesen, für den Gefreiten eher lästigen Sachen, gab es natürlich auch eine richtige handfeste militärische Ausbildung, allem voran natürlich das Schießen.

 

Wir hatten in der Kompanie jeder eine Maschinenpistole, Typ Kalaschnikow KMS-72 mit einklappbarer Schulterstütze. Bevor wir das erste Mal schießen durften, brachte man uns bei, wie die Waffe funktioniert, zerlegt und gereinigt wird. Besonders auf die Sache mit dem Reinigen legte man sehr großen Wert, warst Du der erste bei der Waffenabgabe, wurde besonders gründlich hingeschaut. Wir haben das so oft geübt, dass jeder von uns die „Kaschi“ nach kurzer Zeit mit verbundenen Augen zerlegen und auch wieder zusammensetzen konnte.

 

Die Waffe bestand aus folgenden einzelnen Teilen:

  • Lauf mit Verbindungsstück, Gehäuse und Kolben
  • Visiereinrichtung
  • Verschluss (Gaskolben, Schlossführung, Schließerfeder, Schloss mit Schlagbolzen)
  • Führungsrohr mit Handschutz
  • Abzugseinrichtung mit Griffstück
  • Zubehör (Gehäusedeckel, Reinigungsstab, Magazin und Magazintasche, Reinigungsgerät, Kompensator)

 

 

Technische Daten der MPi-KM:

 

Die theoretische Schießausbildung befasste sich mit den technischen Daten und Eigenschaften der Waffe, der Flugbahn des Geschosses sowie dem Zielen und möglichen Zielfehlern. Praktisch trainiert wurde auf dem Schießplatz der MTS, welcher sich im Außenbereich befand, nach genau festgelegten Abläufen und Regeln. Jeder Schütze hatte auf der Bahn seinen eigenen Beobachter, der das Schießen überwachte.

 

Jeder von uns hatte auch einmal das „Vergnügen“, an einem Training auf dem Handgranatenplatz teilnehmen zu dürfen. Ziel war es, eine Handgranate aus einem Graben heraus in ein 25m entferntes, schneebedecktes Zielgebiet zu werfen. Es war schon ein komisches Gefühl, eine scharfe Handgranate in der Beintasche der FDU Winter zu verstauen und im Unterstand solange zu warten, bis man an der Reihe war. Benotet wurde das ganze auch noch und zwar wie folgt:

Zu meiner eigenen Überraschung konnte ich diese Übung mit der Bestnote abschließen. Damit war dann auch das Kapitel Handgranatenwurf für den Rest meiner Dienstzeit erledigt.

 

Ein weiterer Bestandteil unserer Grundausbildung war ABC-Schulung. Sie befasste sich mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen (des Gegners) sowie einem möglichen Schutz vor deren Wirkung. Im Einzelnen wurden folgende Themen behandelt:

Nervenschädigende:

Sarin, Soman

Hautschädigende:

YPERIT

Allgemeinschädigende:

Cyanwasserstoff

Lungenschädigende:

Phosgen, Di-Phosgen

Reizstoffe:

CS, CN

Weitere Kampfstoffe:

LSD

 

Merkmale, die auf den Einsatz bakteriologischer Waffen schließen lassen

 

1 – dumpfe Detonation von Granaten

2 – tote Tiere, Tierleichen

3 – Tropfen auf Pflanzen und auf der Erde

4 – kranke Tiere

 

Abbildung aus dem Buch „Schutz gegen Massenvernichtungswaffen“ vom Verlag des Ministeriums für nationale Verteidigung der DDR in Berlin, 1956

 

 

 

Praktisch wurde in der ABC-Ausbildung auch trainiert. Entaktivieren, entgiften und entseuchen von Ausrüstungsgegenständen, Bewaffnung und Technik. Am meisten wurde jedoch das anlegen der persönlichen Schutzausrüstung geübt und benotet.  Dies betraf die Truppenschutzmaske (TSM), den Gasschutzumhang SBU-67 und den Schutzanzug SBA-2. Dabei gab es folgende Normzeiten:

 

CA-NORM 1 / Kommando: „Gasschutzmaske aufsetzen !“

 

 

Note 1

 

Note 2

Note 3

Sekunden

Armeeangehöriger

9

10

12

Gruppe / Zug

10

11

13

Kompanie / Staffel

11

12

14

 

CA-NORM 3a / Kommando: „Gasschutzumhang anlegen !“

 

 

Note 1

 

Note 2

Note 3

Sekunden

Armeeangehöriger

40

45

50

Gruppe / Zug

40

45

50

Kompanie / Staffel

40

45

50

 

CA-NORM 3b / Kommando: „Schutzanzug anziehen !“

 

 

Note 1

 

Note 2

Note 3

Min:Sek

Armeeangehöriger

4:30 (Sommer)

5:00 (Winter)

5:00 (Sommer)

5:30 (Winter)

5:30 (Sommer)

6:00 (Winter)

Gruppe / Zug

5:00 (Sommer)

5:30 (Winter)

5:30 (Sommer)

6:00 (Winter)

6:00 (Sommer)

6:00 (Winter)

Kompanie / Staffel

5:30 (Sommer)

6:00 (Winter)

6:00 (Sommer)

6:30 (Winter)

6:30 (Sommer)

7:00 (Winter)

 

Schutzanzug SBA-2 angezogen, mit aufgesetzter Truppenschutzmaske

Abbildung aus „Handbuch militärisches Grundwissen“ vom Militärverlag der DDR, Berlin, 1989

 

Vollständiges Anlegen des Schutzanzuges SBA-2, mit Schutzmaske und Schutzhandschuhen:

  • 01. Waffe, Tragegestell, Schutzanzug, Tragetasche und Koppel ablegen
  • 02. Schutzanzug der Packtasche entnehmen und ausrollen
  • 03. Hose anziehen, Spannlaschen verknöpfen
  • 04. Jacke anziehen, Kapuze zurückgeschlagen lassen
  • 05. Verschlussleiste schließen
  • 06. Koppel, Tragegestell und Tragetasche anlegen
  • 07. Kopfbedeckung absetzen
  • 08. Schutzmaske aufsetzen
  • 09. Kapuze über den Kopf und Gesichtsgummizug zum oberen Rand der Augengläser der Schutzmaske ziehen
  • 10. Halsgurt umlegen und verknöpfen
  • 11. Stahlhelm aufsetzen
  • 12. Schutzhandschuhe anziehen, Stulpen unter den Gummizug der Ärmel stecken, Daumenschlaufen überstreifen
  • 13. Feld- oder Wintermütze gemeinsam mit der Packtasche des Schutzanzuges in der Tragetasche verpacken
  • 14. Waffe umhängen

 

Einen besonderen Gag dachten sich unsere Vorgesetzten aus, als es in der ABC-Ausbildung um den Umgang mit chemischen Kampfstoffen ging. Im Vollschutzanzug tropfte man uns bei einer Übung stark verdünnte chemische Kampfstoffe auf die Hand, die immer noch in der Lage gewesen wären, Hautrötungen hervorzurufen. Aufgabe war es, diese rückstandsfrei zu beseitigen und die Hände entsprechend zu reinigen. Das es sich bei diesem „Kampfstoff“ um ganz normales Waffenöl handelte, wussten wir allerdings schon vorher.

  

In der Grundausbildung in Bad Düben wurden wir natürlich auch in erster Hilfe geschult. Dabei ging es hauptsächlich um selbst bzw. gegenseitige Hilfe bei Verletzungen und Lebensgefahr. Thematisch wurde folgender Inhalt vermittelt:

 

Verbandspäckchen, Abbildung aus „Handbuch militärisches Grundwissen“ vom Militärverlag der DDR, Berlin, 1989

 

In diesen Zusammenhang lernten wir auch den persönlichen Verbandmittelsatz PVS 1/II und das medizinische Schutzpäckchen MSP K12A mit seinen Schnellspritzen kennen. Der Verbandmittelsatz bestand aus einem Verbandspäckchen einem Pflaster und zehn Wasserentkeimungstabletten.

 

Der Inhalt des MSP K12A war folgender:

 

1 gelbe SSP

Vorbeugendes Mittel gegen nervenschädigende Kampfstoffe

Anwendung auf Befehl

1 rote SSP

Gegenmittel nach Einwirkung nervenschädigender Kampfstoffe

Anwendung bei Atemnot, Sehstörungen, verkleinerte Pupillen, Speichelfluss, wenn nach 15 bis 20 Minuten keine Besserung, dann gelbe SSP benutzen

1 grüne SSP

Mittel zur Anwendung nach radioaktiver Strahlung

Anwendung bei Übelkeit und Erbrechen

2 weiße SSP

Mittel zur Schmerzbekämpfung

Schmerzen aller Art

 

Besonders die grüne Schnellspritze vermittelte so ein trügerisches Gefühl der Sicherheit, wenn zwei Kilometer vor einem eine Atombombe einschlägt.

 

Wie wahrscheinlich jeder Soldat in Bad Düben, hatten auch wir einen Tag Übung auf der berüchtigten Brandmittelbahn. Zuerst entzündeten die Ausbilder auf einer Fläche etwas Napalm. Dann wurden zwei Freiwillige gesucht, die das Zeug mit einer Decke löschen sollten. Mich hat es getroffen, zum Glück, wie sich später herausstellen sollte. Mein Kamerad und ich warfen also die Decke über den Brandherd und das Feuer war nach kurzer Zeit aus. Da wir diese Aufgabe so gut gemeistert hatten, wurden wir von den Ausbildern zu Helfern für die nächste Übung „befördert“. Dabei mussten die restlichen Teilnehmer durch brennende und qualmende Betonteile rennen. Wir standen am Rand und sollten für den Fall der Fälle schnell eingreifen. Und auch bei uns hätte es nicht anders sein können, wie bei einigen zuvor. Einer unserer Kameraden lief in vollem Tempo gegen eines der brennenden Betonteile und stürzte. Zum Glück standen wir an der Seite und konnten Ihn schnell herausholen. Folgen hatte dieser Unfall für alle Beteiligten meiner Meinung nach nicht.

 

In Bad Düben wurden auch einige Grundlagen der Pioniersicherstellung, sowohl theoretisch als auch praktisch im Gelände gelehrt. Im Einzelnen betraf dies:

Orientierungspunktskizze, Abbildungen aus „NVA-Kalender“, Militärverlag der DDR, 1980

Inhalt einer Aufklärungsskizze

 

  • markante Geländepunkte und Objekte
  • Marschstrecke
  • zu beziehender Raum
  • Engen, Schluchten, steile Kurven
  • Ortsdurchfahrten
  • Brücken, Unterführungen
  • Umgehungen
  • Deckungsräume an der Straße
  • Entfernungsangaben
  • Nordpfeil
  • Besonderheiten (z.B. Minenfelder)

 

 

Nicht unerwähnt soll auch die Ausbildung in allgemeiner Taktik bleiben. In diesem Fach beschäftigten wir uns unter anderem mit den wahrscheinlichsten Handlungen des Gegners gegen Objekte der LSK / LV, den möglichen Kräften des Gegners (Luftlandedivisionen, Aufklärungsabteilungen, Fernaufklärer, Infanterie, Jäger, Panzer), den Einsatzprinzipien und Zielen sowie der Kampftechnik, Bewaffnung und Ausrüstung dieser Kräfte. Im Zusammenhang mit diesem Thema wurden wirksame Maßnahmen zur Abwehr und zum Erkennen des Gegners vermittelt. Ein wichtiger Bestandteil dieser Ausbildung war „die Aufgaben des Gruppenführers nach Erhalten einer Gefechtsaufgabe und Organisation der Verteidigung“. Dabei hat der Gruppenführer folgendes zu tun:

 

Eine weitere Aufgabe für den Gruppenführer ist die Beurteilung der Lage und des Geländes.

 handschriftliche Aufzeichnung über die Erarbeitung einer Feuerskizze

 

 

Nach dem man uns den Umgang mit der Waffe beigebracht hatte und wir auch schon zum Übungsschießen waren, konnte unsere Kompanie nun auch Wachdienst verrichten. Diese Tage waren eigentlich recht beliebt, da Sie eine schöne Abwechslung zum Alltag darstellten. Wenn die Kompanie „diensthabende Kompanie“ war, begannen die Vorbereitungen auf die Wache nach dem Mittagessen. Es wurde das richtige Ablösen der Wachposten sowie der Umgang mit  Waffe und scharfer Munition trainiert. Auch Wachexerzieren stand auf dem Plan. Der erste Zug unserer Kompanie wurde für das Objekt der U-Schule selbst, der zweite und dritte Zug für die Außenbereiche eingesetzt. Vor Beginn der Wache wurde man vergattert, Wachaufzug war 17:00 Uhr für einen Zeitraum von 24 Stunden. Der normale Rhythmus war zwei Stunden Wache dann zwei Stunden Schlaf oder Ruhe gefolgt von zwei Stunden Bereitschaft. Da ich im dritten Zug war, hatten wir Wachdienst in den Außenbereichen der MTS. Dazu zählten u.a. der Lehrflugplatz, das Tanklager, das Munitionslager und das Raketenobjekt, welches zusätzlich von einer Hochspannungsanlage gesichert wurde. Ich hatte meistens mit einem weiteren Kameraden gemeinsam die Geländestreife. Dabei patrollierten wir mit unserer KMS-72 und 60 Schuss scharfer Munition durch die verschiedenen Außenanlagen (z.B. Schieß- und Handgranatenplatz oder einfach nur durch den Wald), immer auf der Suche nach dem bösen Klassenfeind.

 

Für den Wachposten gab es auch einige Vorschriften. So war es verboten,

 

Besonders geregelt war der Schusswaffengebrauch beim Wachdienst. Zunächst ist die in den Postenbereich eingedrungene Person anzurufen und zum stehen bleiben aufzufordern.

 

Kommt der Angerufene der Aufforderung nach, so ist bei dem jeweiligen Schritt abzubrechen und der Eindringling mit folgenden Worten festzunehmen: „Sie sind vorläufig festgenommen, bei Fluchtversuch wird geschossen !“. Weiterhin ist wie folgt zu handeln:

 

Nicht geschossen werden darf

 

Sollte der Posten mit Waffen angegriffen oder beschossen werden, so wird das Feuer erwidert und in Deckung gegangen. Nachts müssen sich nähernde Personen anleuchten, um sie identifizieren zu können.

 

Ein Ereignis, welches sich zu unserer Vereidigung in Bad Düben ereignete, möchte ich auch noch kurz erwähnen. Die Kompanien der zu Vereidigenden traten herausgeputzt in Uniform und Stahlhelm auf dem Exerzierplatz vor dem Stabsgebäude an. Die beiden obersten Dienstherren der Einrichtung schritten die Front der Kompanien ab und zwar im Watschelgang wie die Enten! Nicht einmal im Gleichschritt und viele Besucher der Veranstaltung, u.a. auch mein Großvater, haben das bemerkt und sich zum Teil maßlos über diese Respektlosigkeit geärgert.

 

Und so sah er aus, unser Fahneneid:

 

 

Ich denke, dass wir im Herbst 1989 so ziemlich die Letzten waren, die den Fahneneid in dieser Form ableisten mussten.

 

Für viele von uns war 1989 es das erste Weihnachtsfest, welches wir nicht im Kreise unserer Familien und Freunde verbringen konnten. So wurde von unserem Hauptmann (KC) auf der Kompanie eine kleine aber feine Weihnachtsfeier organisiert. Heimlich, still und leise hatte der Kompaniechef bei unseren Eltern von jedem ein Baby- bzw. Kinderfoto angefordert. Dies war mit der ausdrücklichen Bitte verbunden, diese Aktion gegenüber dem Soldaten „streng vertraulich“ zu behandeln. Zur Weihnachtsfeier wurden dann die Fotos an die Wand projiziert und wir konnten raten, wer von uns es ist. Revanchiert haben wir uns bei unseren Vorgesetzten, indem einige von uns zur Weihnachtsfeier ein kleines Kabarettstück aufgeführt haben. Dabei wurden alle unserer direkten Vorgesetzten ziemlich auf die Schippe genommen. Geschenke haben wir übrigens auch verteilt. Ich erinnere mich da noch an die „rosa-rote Stubendurchgangsbrille“ für den Hauptfeldwebel und eine „Maßbandverlängerung“ für einen Feldwebel unserer Kompanie, dessen Dienstzeitende unmittelbar bevorstand.

 

 

 

2. Fachliche Ausbildung an der MTS der LSK / LV in Bad Düben

 

Kurz nach Beginn der militärischen Grundausbildung begann auch unsere fachliche Schulung. Wenn ich noch recht erinnere, hatten wir Unterricht bei einem Oberstleutnant, einem Stabsfähnrich, einem Unteroffizier und einer Zivilangestellten. Sie alle versuchten, uns in die Geheimnisse des Wetterdienstes einzuweihen. In Bad Düben hatten wir Unterricht in folgenden Fächern:

Wir waren in der Ausbildung 15 junge Männer und eine junge Frau, die mehr oder weniger Erfahrungen mit dem Wetterdienst hatten. Für mich war es komplettes Neuland, ich war vorher nur Konsument der Wettervorhersage im Radio oder Fernsehen. Da ich aber damals schon großes Interesse für Naturwissenschaften und Technik hatte, sagte mir diese Ausbildungsrichtung durchaus zu.

 

 

2.1 Meteorologie

 

Aus naturwissenschaftlicher Sicht sicher das interessanteste Fach. Hier wurden viele physikalische Grundlagen zur Entstehung des Wetters vermittelt.

 

„Die Meteorologie untersucht die physikalischen Vorgänge in der Erdatmosphäre und das Zusammenwirken der Erdatmosphäre mit der festen und flüssigen Erdoberfläche sowie dem Weltraum.“

 

Teilgebiete der Meteorologie:

 

Flugmeteorologie:

untersucht die Einwirkungen des Wetters auf den Flug, insbesondere gefährliche Wettererscheinungen und Wettererscheinungen, die auf Start und Landung Einfluss haben

Synoptik:

ist eine Methode der Wettervorhersage, sie besteht darin, eine vergleichende Zusammenschau für ein großes Gebiet zu einer bestimmten Zeit mit vergleichbaren Methoden durchzuführen

 

Im Einzelnen haben wir im Fach Meteorologie folgende Themen behandelt, die ich hier übersichtsweise wiedergeben möchte:

 

permanente Gase

 

nicht permanente Gase

 

N2

78,08 Vol.%

H2O↑

0 ... 4 Vol.%

O2

20,95 Vol.%

O3

0,000003 Vol.%

Ar2

0,93 Vol.%

SO/ SO3

0,01 Vol.%

CO2

0,03 Vol.%

CO / NxOx

0,01 Vol.%

 

 handschriftliche Aufzeichnung aus dem Fach Meteorologie, Glashauseffekt

 

 

„Wärme ist eine spezielle Form der Energie, sie lässt sich in alle und aus allen anderen Energiearten umwandeln.“

 

t [°C] = K -273,15

t [K] = °C + 273,15

 

 

„Die absolute Temperatur eines Gases ist der mittleren kinetischen Energie der Moleküle des Gases proportional. Die Temperatur ist ein Maß für die innere Energie. Die Temperatur ist nicht von der Masse des Gases abhängig.“

 

 handschriftliche Aufzeichnung aus dem Fach Meteorologie, Sperrschichten in der Atmosphäre

 

 

„Der Luftdruck ist das Gewicht einer Luftsäule der Atmosphäre, die über einer Flächeneinheit der Erdoberfläche steht.“

 

sozialistische Länder:

m/s

kapitalistische Länder:

Kn (Knoten)

 

 

„Auf der Nordhalbkugel befindet sich in Strömungsrichtung gesehen der tiefe Druck stets links und der hohe Druck stets rechts vom Beobachter.“

 

 

 handschriftliche Aufzeichnung aus dem Fach Meteorologie, Wind um Hoch- und Tiefdruckgebiete

 

 

 handschriftliche Aufzeichnung aus dem Fach Meteorologie, Berg- und Talwind

 

Ausbildungsunterlagen im Fach Meteorologie, Wolkengattungen und ihre Höhen

 

 

handschriftliche Aufzeichnung aus dem Fach Meteorologie, Niederschläge und Wolkengattungen

                                              

Tagesgang der flugmeteorologischen Bedingungen im Sommer in einer labilen Luftmasse, Abbildung aus dem NVA-Lehrbuch „Militärische Flugsicherung“ vom Militärverlag der DDR, Berlin, 1987

 

 

 

2.2 Aerologie

 

Dieses Fach befasste sich als Teilgebiet der Meteorologie mit der „Lehre von der Luft“ und hat vorzugsweise Bedeutung für die Erstellung von Wetterprognosen.

„Die Aerologie ist die Wissenschaft von der Erforschung der physikalischen Vorgänge und chemischen Zustände in der Erdatmosphäre.“

 

Inhaltlich gliederte sich das Fach in folgende Bereiche:

 

 

09184

Greifswald

10410

Essen

09393

Lindenberg

10866

München-Oberschleißheim

09468

Dresden-Wahnsdorf

11520

Prag

09548

Meinigen

12375

Warschau

10384

Berlin-Tempelhof

12330

Poznan

10338

Hannover

12424

Wroclaw

 

 

Das Fach Aerologie war nicht sehr umfangreich. Wir hatten hier im Vergleich zu den anderen Fächern auch nur wenige Ausbildungsstunden.

 

 

2.3 Wetterschlüssel

 

Im diesem Unterrichtsfach lernten wir den Aufbau der einzelnen Wetterschlüssel kennen, vermittelt wurden uns in Bad Düben die Folgenden:

 

FM12a – SYNOP

Meldung einer Flugwetterwarte der LSK / LV über das Bodenwetter

FM133a

Gefahrenmeldedienst der LSK / LV

FM15 – METAR

Meldung einer zivilen Flugwetterwarte über das Bodenwetter

FM16 – SPECI

Gefahrenmeldedienst im zivilen Flugwetterdienst

FM51 – TAF

Flugplatzwettervorhersage

 

Das Hauptaugenmerk lag aber ganz klar auf dem FM12a, welcher sich vom zivilen FM12 ableitete. Als Einleitung in dieses Fach gab es allgemeine Informationen über die Notwendigkeit der Verschlüsselung von Daten, allgemeine Schlüsselmethoden, Zeitangaben und Beobachtungstermine.

 

Verwendete Zeitangaben im MD der LSK / LV:

 

UTC

Weltzeit, Universal Time Coordinated

 

MEZ

Mitteleuropäische Zeit

UTC + 1h

MESZ

Mitteleuropäische Sommerzeit

UTC + 2h

MOZ

Moskauer Zeit

UTC + 3h

MOSZ

Moskauer Sommerzeit

UTC + 4h

 

Beobachtungstermine (Angaben in UTC):

 

HT (Haupttermine)

00 / 06 / 12 / 18

ZT (Zwischentermine)

03 / 09 / 15 / 21

NT (Nebentermine)

01 / 02 / 04 / 05 / 07 / 08 / 10 / 11 / 13 / 14 / 16 / 17 / 19 / 20 / 22 / 23

 

Die Flugplatzwettermeldungen wurden prinzipiell in folgende zwei Gruppen unterteilt:

 

Terminwettermeldung:

 

Gefahrenmeldung:

Meldung, deren Inhalt sich auf Beobachtungsergebnisse zu einer bestimmten Beobachtungszeit „H“ bezieht.

Meldung, die beim unter- bzw. überschreiten festgelegter Schwellwerte (z.B. Sicht, Wind, Wolkenuntergrenze) bzw. dem Auftreten gefährlicher Wettererscheinungen (z.B. Gewitter, Nebel, Eis) sofort abgesetzt werden muss.

 

Wurde zu jedem synoptischen Termin 24-mal am Tag zu jeder vollen Stunde gemeldet. Auf Befehl konnte auch eine Halbstundenmeldung erfolgen.

 

Wurde beim Auftreten der o.g. Bedingungen für die Beobachtungszeit der gefährlichen Wettererscheinung gemeldet.

Beobachtungsbeginn für die Stundenmeldung ist 10 min vor Absetztermin, bei der Halbstundenmeldung sind es 5 min

Ständige Beobachtung

 

FM12a im Kurzüberblick:

Sektion 0

Einleitungsgruppen, Kennung, Zeit, Ortsangabe

Sektion 1

Synoptische meteorologische Daten

Sektion 3

Meteorologische Daten, die nur zu bestimmten Terminen gemeldet werden

Sektion 5

Daten nach speziellen Richtlinien

Sektion 9

Spezielle Flugmeteorologische Daten, nur im FM12a

 

Diese Sektionen und Gruppen wurden im Unterricht alle einzeln und ausführlich mit sehr vielen Beispielen besprochen. Übungsaufgaben bestanden eigentlich immer darin, Wetterdaten nach FM12a zu codieren oder sie aus einer verschlüsselten Meldung zu extrahieren.

 

Ausbildungsunterlagen im Fach Wetterschlüssel, Schlüsselform FM12 SYNOP – Sektion 0,1 und 3

 

 

Im Zusammenhang mit dem Wetterschlüssel war da noch die Sache mit den Stationsnummern. „Die Stationsnummern der Flugplätze der NVA sind im Zusammenhang mit Ihren Namen VVS und dürfen in diesem Zusammenhang nicht in offenen Dokumenten erscheinen!“ Aber aufschreiben mussten wir Sie ja, schließlich galt es Sie auswendig zu lernen. Also wurden die Orte auf der einen Seite des Heftes und die zugehörigen Stationsnummern in entsprechender Reihenfolge auf einer anderen Seite notiert. So hatte man auch wieder den richtigen Zusammenhang.

 

Im Einzelnen ging es dabei um folgende Orte und Kennungen:

 

172

Laage

397

Drewitz

181

Parow

450

Nordhausen

187

Peenemünde

476

Holzdorf

199

Garz

477

Bad Düben

273

Basepohl

484

Dresden

281

Neubrandenburg

492

Cottbus

255

Salzwedel

493

Preschen

370

Brandenburg

494

Kamenz

390

Straußberg

497

Rothenburg

391

ZFWW

498

Bautzen

395

Marxwalde

547

Meiningen

 

Die 391 war eine eher „theoretische“ Stationsnummer. Da an der ZFWW in Fürstenwalde niemals eigene Wetterdaten bestimmt und der Standort verschleiert wurde, tauchte diese Kennung meiner Meinung nach auch in keinem der Wetterschlüssel auf.

 

Ausbildungsunterlagen im Fach Wetterschlüssel

 

 

2.4 Wetterkarte

 

In diesem Unterrichtsfach lernten wir den Aufbau und die Bedeutung verschiedener Wetterkarten kennen. Inhaltlich haben wir folgende Themen behandelt:

 

 

Handlungsraumkarte

DDR und umliegende Gebiete

1 : 1500000

NVA Arbeitswetterkarte

DDR, BRD, Dänemark, Österreich und umliegende Gebiete

1 : 2500000

Wetterkarte 007

Mitteleuropa

1 : 2500000

Europaausschnittkarte

1/3 Atlantik, Korsika, Island, Ural

1 : 5000000

 

Beispiel einer Wetterkarte

 

Die einzelnen Länder und Bereiche auf den Wetterkarten hatten folgende Kennungen:     

 

01

Norwegen

02

Schweden, Finnland

03

Großbritannien, Irland

04

Island, Grönland

06

Dänemark, Benelux-Staaten, Schweiz

07

Frankreich

08

Spanien, Portugal

09

DDR

10

BRD, Berlin-West

11

ČSSR, Österreich

12

Polen, Ungarn

13

Jugoslawien, Albanien

15

Rumänien, Bulgarien

16

Italien, Griechenland, Zypern, Malta

17

Türkei

20 ... 39

Sowjetunion

40 ... 42

Naher Osten (Israel, Syrien, Jordanien)

60, 62

Nordafrika

71 ... 78

Nordamerika

 

 

Ausbildungsunterlagen aus Bad Düben im Fach Wetterkarte

 

Neben diesem eher theoretischen Unterricht verbrachten wir die meiste Zeit mit dem Zeichnen von Wetterkarten. Dabei musste fast immer ein FM12a Wetterbericht in eine entsprechende Karte umgesetzt werden. Mit zunehmender Übung gelang es uns auch, beim Zeichnen die vorgegebene Normzeit einzuhalten. In unserer ersten Stunde Wetterkarte lernten wir auch ein neues Zeichengerät kennen: den „Doppelfüller“. Ein Füller mit zwei Federn, eine für rot, die andere für blau. Eine geniale Idee, so musste man beim Zeichnen nicht ständig zwischen verschiedenen Stiften wechseln. Dies brachte eine enorme Zeiteinsparung. Nur leider hatte der Doppelfüller auch so seine Schwachstellen, entweder lief keine Tinte aus der Feder oder zuviel, so dass man auf seiner Karte sehr unschöne Tintenflecke hatte. Also suchten wir nach Alternativen zum Doppelfüller und als „gelernte DDR-Bürger“ hatten wir natürlich genügend Improvisationstalent. Herausgekommen sind dabei zwei Lösungen, entweder wurden ein roter und ein blauer Faserschreiber mit Klebeband zusammengebunden oder der Doppelfüller wurde auf Kugelschreiber umgebaut. Somit hatte die Tinten-Kleckserei ein baldiges Ende und die Karten sahen wieder ordentlich aus.

 

 Originaler Doppelfüller „Markant 500“

 

 Doppelfüller nach dem Umbau auf Kugelschreiber, in die leeren Tintenpatronen wurden kurze Kugelschreiberminen in rot und blau eingesetzt

 

 

2.5 Instrumentenkunde

 

Technik, Technik, Technik. So kann man kurz aber treffend den Inhalt dieses Faches wiedergeben.

 

„Die Instrumentenkunde beschäftigt sich mit Messinstrumenten und deren Wirkung zur Parameterermittlung des Wetters.“

 

Im Einzelnen haben wir und mit folgenden Themen der Messwertbestimmung befasst:

 

 

meteorologische Messtechnik

 

Beobachtung durch den Menschen

· Temperatur

· Sichtweite

· Luftdruck

· Wolkenuntergrenze

· Wolkenuntergrenze

· Art und Dauer des Niederschlages

· Niederschlagsmenge

· Niederschlagsintensität

· Windgeschwindigkeit und –richtung

· Bedeckungsgrad des Himmels

· Luftfeuchte

· Art der Wolken

· Sichtweite

· Wettererscheinungen

· Radar (z.B. Niederschlagsverteilung)

 

· Sodar

 

 

Wetterbild der Bodenradarstation 492 (Cottbus), Abbildung aus dem NVA-Lehrbuch „Militärische Flugsicherung“ vom Militärverlag der DDR, Berlin, 1987

 

handschriftliche Aufzeichnungen über die Messtechnik am Flugplatz

 

handschriftliche Aufzeichnungen über das Messfeld

                      

handschriftliche Aufzeichnungen über die Staudüse

 

 

Ausbildungsunterlagen für das Windmessgerät „Junkalor“

 

 handschriftliche Aufzeichnungen über das Stationsbarometer

 

 

Ausbildungsunterlagen über die Bestimmung der Wolkenuntergrenze

 

Im Fach Instrumentenkunde beschäftigten wir uns auch mit den damals eingesetzten Kommunikationsmitteln, wie z.B. Funkempfänger, Faxempfänger, Telefon, Fernschreiber und Computer. Zuerst wurden wir in die Bestimmungen des Nachrichtenbetriebsdienstes (NBD) eingewiesen. Dazu zählten unter anderem: 

 

Genauer besprochen wurden folgende Kommunikationsmittel: 

 

Abkürzungen im Fernschreibdienst:

 

nil

Meldung noch nicht vorhanden

mis

Keine Meldung

asrec

Es folgt „cor“

cor

Korrigierte Meldung

rtd

Meldung erst nach Termin eingetroffen

rpt

Wiederholen Sie

rufas

Rundfernschreiben

qsl

Geben Sie eine Empfangsbestätigung

eee

Irrung

qta

Vernichten Sie

rawet

Radarwetter

 

POGODA 2

Gesamtsystem in der ZFWW, 16 Bit Rechner (K1630), gekoppelt mit den Rechnern des MD der DDR

POGODA 3

In den Flugwetterwarten der Verbände, 8 Bit Rechner (K1520)

POGODA 5

In den Flugwetterwarten der Truppenteile, 8 Bit Rechner (KC85/3 oder 4)

 

 

 

2.6 Praktische Wetterausbildung

 

An der Uffz.-Schule in Bad Düben gab es für die praktische Ausbildung eine Wetterwarte, mit doch recht guter Ausstattung. Hier hatten wir nach einer genauen Einweisung durch unseren Ausbilder abwechselnd mit je 2-3 Kameraden Dienst. Bevor es jedoch richtig losging, lernten wir noch das Beobachtungstagebuch kennen, in das alles aufzuzeichnen ist, was bei der Wetterbeobachtung festgestellt wird. Das Tagebuch ist ein Dokument mit verschlüsselten und unverschlüsselten Daten und es legt den Wetterverlauf am Standort genauestens vor. Einträge sind sauber und ordentlich und nur mit Bleistift vorzunehmen, radieren ist unzulässig. Das Beobachtungstagebuch muss so eingerichtet werden, dass die Zeichen der Beobachter eindeutig zuordenbar sind.

 

Der Dienst in der Wetterwarte war eine schöne Abwechslung zum Alltag. Kurz vor dem Termin ging es raus in die Novemberkälte. Temperatur, Niederschlag, Wolkenuntergrenze, Art der Bewölkung, Wind und Wetterzustand bestimmen. Der Wolkenscheinwerfer eignete sich wegen seiner großen Lichtleistung auch hervorragend zum nächtlichen Ausleuchten des Objektes, was aber strengstens verboten war. Nach dem alle Werte aufgenommen waren, wurden Sie im Tagebuch der Station notiert und anschließend nach FM12a verschlüsselt. Die Meldung an die ZFWW erfolgte von Bad Düben aus per Telefon.

 

„Hallo 391, hier 477, wir haben eine Meldung für Sie.“

 

Das aktuelle Wetter wurde also an die Kollegen im Fuchsbau übermittelt. Anschließend staunten wir nicht schlecht, als unser Wetter tatsächlich über den Fernschreiber getickert kam. Wir versuchten schon, die Wetterbeobachtung so genau wie möglich zu machen. Da uns aber die nötige Erfahrung fehlte, weiß ich leider nicht, wie hoch unsere Fehlerquote in Wirklichkeit war. Ich denke, in der Übungswetterwarte von Bad Düben ging es auch mehr darum, die Prozedur der Wetterbeobachtung und Übermittlung zu trainieren. Ob die Meteorologen in der ZFWW mit diesen Daten tatsächlich etwas angefangen konnten, weiß ich leider nicht.

 

 

2.7 Abschließende Bemerkungen zur fachlichen Ausbildung

 

Zusammenfassend kann man sagen, dass die fachliche Ausbildung in Bad Düben sehr fundiert war. Ich persönlich habe hier sehr viel über das Wetter gelernt. Das lag sicher auch an den Ausbildern, die mit viel Engagement und vor allem fachlichen Wissen uns in die Geheimnisse der Meteorologie eingeweiht haben.

 

Nachweis aus dem Wehrdienstausweis über die Berechtigung zur Bedienung des POGODA-5 Systems

 

 

 

 

Nach der Rückkehr aus unserem Sylvesterurlaub Anfang Januar 1990 hatten wir in Bad Düben nur noch fachliche Ausbildung, da die Versetzung an die einzelnen Dienststellen unmittelbar bevorstand.

 

 

 

3. Wendezeiten in Bad Düben

 

Um es gleich vorweg zu nehmen: aus historischer Sicht war ich genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort. In der NVA konnte man sehr schön die Veränderungen in der damaligen DDR verfolgen.

 

Ich wurde zu einem Zeitpunkt (September 1989) einberufen, als es in der Republik schon mächtig brodelte. Illegale Ausreise von DDR-Bürgern über Ungarn nach Österreich, Flucht in die ständige Vertretung der BRD in Ostberlin oder auch in die Botschaften in Budapest oder Prag. Demonstrationen in Leipzig im Anschluss an das Friedensgebet in der Nikolaikirche. Gründung des „Neuen Forums“ in Ost-Berlin.

 

Wir alle wurden bei unserer Einberufung belehrt, dass wir jeden Kontakt zu Verwandten und Bekannten aus der damaligen BRD zu unterlassen hätten. Sollte „Westbesuch“ zu Hause sein, hätten wir das nach Möglichkeit noch vor Urlaubsantritt zu melden. Der Urlaub wäre dann ziemlich sicher ins Wasser gefallen. Unsere Zivilkleidung wurde unmittelbar nach unserer Ankunft in Bad Düben per Post nach Hause geschickt, so dass wir uns außerhalb des Objektes und auf Urlaubsfahrten nur noch in Uniform bewegen konnten. Ein Fehler, wie sich kurze Zeit später herausstellen sollte.

 

In unserer Kompanie wurden durch die Gruppen- bzw. Zugführer öfters Gespräche in kleineren Gruppen, meist auf den Zimmern, über die Ereignisse in Ungarn, die Demonstrationen in Leipzig und die aktuelle Lage im Land durchgeführt. Ich denke, man wollte sich ein Bild vom ideologischen Zustand der Truppe verschaffen. Des Öfteren gab es auch Treffen der Mitglieder und Kandidaten der SED im Freizeitraum der Kompanie, natürlich zum gleichen Thema. Wir alle verfolgten auch die abendlichen Nachrichten im DDR-Fernsehen, jedoch war der wahrheitsgemäße Informationsgehalt der „Aktuellen Kamera“ zu diesem Zeitpunkt nicht sehr hoch.

 

Mitte Oktober ’89 wurde es richtig spannend. Es stand die Demonstration am 16.10.1990 bevor, zu der sich ca. 120000 Menschen auf den Straßen von Leipzig versammeln sollten. Einige Kompanien aus Bad Düben, darunter auch unsere, waren zur Verstärkung der Schutz- und Sicherheitsorgane in Leipzig vorgesehen. Wir wurden über die aktuelle Lage, welche als Konterrevolution bezeichnet wurde, und unseren möglichen Einsatz in Leipzig unterrichtet. Für den Einsatz wurde folgende Bewaffnung befohlen: Offiziere mit Pistole und halbem Kampfsatz, die Waffe war in der Brustinnentasche zu verstauen, alle anderen NVA-Angehörigen bekamen Schlagstöcke. Die ausgewählten Hundertschaften wurden auf dem Gelände der MTS in die Handhabung der Schlagstöcke bei einem Einsatz eingewiesen und auf bereitstehende LKW’s für den Transport aufgeteilt. In den Abendstunden hatten wir erhöhte Bereitschaft und jeder auf den Zimmern wartete auf den Einsatzbefehl. Es lag damals eine unglaubliche Spannung in der Luft, keine wusste, wie es weitergeht, die Lage war auf einmal wirklich ernst. Wir warteten, zum Glück für alle Beteiligten, vergeblich auf den Einsatzbefehl. Gegen 21:00 Uhr wurde der Bereitschaftszustand aufgehoben. Während dieser Situation änderte sich auch der Umgangston zwischen Offizieren, Unteroffizieren und Gefreiten. Da wurde plötzlich nicht mehr von oben herab im Befehlston angeordnet, sondern eher ruhig, sachlich und verständnisvoll. Allen wurde klar, dass Sie sich in dieser Lage auf den jeweils Anderen verlassen müssen. Das funktioniert aber nur, wenn man gegenseitiges Vertrauen und Respekt voreinander hat.

 

Mit den immer intensiver werdenden Montagsdemonstrationen in Leipzig kam plötzlich auch unsere Zivilkleidung wieder ins Spiel. Da man im Zusammenhang mit den Protesten im Land Angst um unsere Gesundheit hatte und Armeeangehörige als Ziel für mögliche Übergriffe ansah, durften wir nicht mehr in Uniform, sondern nur noch in Zivil nach Hause fahren. Da die Demonstrationen in Leipzig eigentlich immer montags stattfanden und wir den Hauptbahnhof Leipzig zum Umsteigen nach Bad Düben nutzen mussten, hatte das noch einen ganz anderen Effekt, nämlich montags keine Rückkehr aus dem Kurzurlaub, zu unserer Sicherheit, wie es offiziell hieß.

In der Folgezeit gab es eigentlich täglich neue Informationen zur aktuellen Entwicklung in der DDR und der NVA. Auch die abendlichen Nachrichten der „Aktuellen Kamera“ im Fernsehraum der Kompanie wurden immer interessanter. Dann kam der 09. November 1989 und Schabowski’s legendäre Pressekonferenz, die am Abend live vom DDR Fernsehen übertragen wurde. Wie seine Äußerungen zu den neuen Bestimmungen im Reiseverkehr endeten, wissen wir alle. Die Grenzen nach Westberlin und in die BRD öffneten sich.

 

Natürlich sollten jetzt auch die Armeeangehörigen der DDR die Möglichkeit haben, selbst zum „zukünftig ehemaligen Klassenfeind“ zu reisen um sich Ihre „blauen Fliesen“ abzuholen. Und schon gab es ein neues Problem, in die Bundesrepublik mit dem Wehrdienstausweis? So weit ging es dann doch nicht, also wurde der bei der Einberufung eingezogene Personalausweis kurzfristig wieder herausgegeben.

 

Visum aus meinem alten Personalausweis zur mehrmaligen Ausreise aus der DDR und Stempel der Grenzkontrolle in Gutenfürst (Sachsen)

 

So kam es, dass ich noch im Dezember 1989, also während meiner Ausbildungszeit in Bad Düben, in die BRD reisen konnte. Soviel dann auch zum Kontaktverbot mit Bürgern aus dem damaligen anderen deutschen Teil. Diese Bestimmung hielt vom Tag meiner Einberufung gerade einmal gute zwei Monate durch.

 

 

 

Im Januar 1990 wurde ein neues Wehrdienstgesetz erarbeitet und einige Sofortmaßnahmen beschlossen. Diese betrafen uns nach der Rückkehr aus unserem Silvesterurlaub 89/90 auch zum Teil schon. Wir waren plötzlich alle keine „Genossen“ mehr. Die Anrede innerhalb der NVA wurde auf „Herr“ bzw. „Frau“ oder „Fräulein“ umgestellt. Auch der Ausgang über die sonst übliche Standortgrenze hinaus war jetzt möglich.

 

Auszug aus dem Wehdienstausweis über die Beförderung

zum Unteroffizier

 

 

 

Schulterstücke Unteroffizier

der Luftstreitkräfte der NVA

 

Am 22.01.1990 wurden wir alle per Befehl 02/90 bei einem Appell zum Unteroffizier befördert.

Am 24.01.1990 war dann die Versetzung, die mich an die zentrale Flugwetterwarte der NVA nach Fürstenwalde in den Fuchsbau verschlug.

 

 

 

 

 

4. Unter Füchsen

 

Am Tag unserer Versetzung fuhren wir in den frühen Morgenstunden bepackt wie die Esel mit dem Zug nach Bernau (bei Berlin), wo wir von einem Kameraden aus Fürstenwalde abgeholt wurden. Danach ging es per LKW zum Fuchsbau. Nach dem wir im Kompaniegebäude eingetroffen waren, wurden wir von einem meist schlecht gelaunten Hauptfeldwebel in Empfang genommen. Noch am gleichen Tag standen einige Formalitäten auf den Plan, unter anderem auch das Kontrollieren und Ausgeben zusätzlicher Ausrüstung und der Waffenempfang.

 

Bekleidungs- und Ausrüstungsnachweis

aus dem WDA (Auszug)

 

Danach folgte schon eine etwas angenehmere Aufgabe. Ein Kamerad unseres neuen Gefechtsabschnittes (GA VI) brachte uns in Fürstenwalde zum Fotograf, um Passbilder für den neuen Dienststellenausweis anfertigen zu lassen. Dieser berechtigte uns, das Objekt jederzeit, auch ohne Ausgangskarte, zu verlassen. Auch so eine Neuerung, die im Januar 1990 als Sofortmaßnahme beschlossen wurde. Nach dem Anfertigen der Fotos war noch etwas Zeit, und wir lernten eine weitere, sehr wichtige Einrichtung durch unseren neuen Kameraden kennen, die Standortkneipe. Hier sollten wir in der Folgezeit noch des Öfteren ein Bierchen trinken.

 

In den ersten zwei Tagen hatten wir alle einen kleinen aber dennoch sehr angenehmen „Kulturschock“ erlitten. Das meiste von dem, was man uns auf der U-Schule in Bad Düben beigebracht hatte, wurde hier nicht wirklich praktiziert. Ich meine z.B. geschlossen und in kleineren Gruppen durch das Objekt marschieren oder auch das Grüßen mit Ehrenbezeigung. Vielen, aber nicht allen, der Mitstreiter im Objekt reichte ein fröhliches „Guten Morgen“. Das machte die Sache von Anfang an sympathisch.

 

 

 

Tja, und plötzlich hatte man wohl keine richtige Verwendung für uns. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass man uns alle am zweiten Tag für knapp zwei Wochen in den Urlaub schickte. Auch gut, dachte ich. So konnten wir uns von dem „ganzen Stress“ dieser zwei Tage zu Hause richtig erholen.

 

Nach meiner Rückkehr an die Dienststelle nach Fürstenwalde rückte auch mein erster Dienst in der ZFWW im Fuchsbau näher, so dachte ich jedenfalls. Aber wegen einer Systemwartung wurde mein erster Dienst an die HFS-5 nach Strausberg verlegt. Hier habe ich dann auch meine erste und gleichzeitig letzte Wetterkarte gezeichnet. Ich und ein weiterer Kamerad übernahmen den Dienst von 07:00 Uhr bis etwa gegen 23:00 Uhr, bevor uns zwei weitere Kollegen ablösten. Der Lohn für diese extra lange Schicht war der Kurzurlaub im Anschluss, direkt ab Strausberg. Wir sind beide mitten in der Nacht ab Berlin-Lichtenberg nach Hause gefahren.

 

Ab meiner zweiten Schicht verlief eigentlich alles recht normal, ab dann auch immer in der ZFWW im Fuchsbau. Der Weg führte uns vom Kasernenobjekt ca. 2 km durch den Wald zum Bunker, wo jeder Dienst um 07:00 Uhr mit der Vergatterung der diensthabenden Besatzung vor dem Bauwerk, mit DDR-Fahne und Nationalhymne, begann. Damit wurden die Armeeangehörigen für die Zeit Ihres Dienstes dem Diensthabenden des Forschungs- und Beobachtungszentrums Raduga (DFBZ) des zentralen Gefechtsstandes 14 (ZGS-14) unterstellt.

 

Jede unserer Schichten begann in der WIZ mit der Dienstübergabe. Dabei wurden z.B. noch anstehende Aufgaben oder auch Probleme mit der Technik an die neue Besatzung weitergegeben. Anfangs hatten wir noch richtige 24 Stunden Dienste, wobei auch im Fuchsbau geschlafen wurde. Später wurden dann 12 Stunden Tag- und Nachtschichten eingeführt. Die Tagschicht begann normal um 07:00 Uhr und endete 19:00 Uhr, bis zum nächsten Tag 07:00 Uhr hatten dann die Kollegen von der Nachtschicht Dienst. Ich erinnere mich noch, dass der Dienstrhythmus meist aus 4 bis 6 aufeinander folgenden Schichten, sowohl Tag- als auch Nachtdienst, bestand. Danach war meist ein ähnlicher Zeitraum frei. Diesen haben wir dann fast immer zu einem Kurzurlaub, Ausflügen in die Umgebung (baden im Scharmützelsee) oder einem Besuch Berlins genutzt.

 

In der Anfangszeit lernten wir noch recht viel von den älteren Kollegen, besonders was die einzelnen Abläufe in der Wetterinformationszentrale und die Bedienung der Technik betraf. Wir hatten immer dafür zu sorgen, dass der diensthabende Meteorologe rechtzeitig mit den richtigen Informationen versorgt wird. Dazu zählten unter anderem der Empfang von Satellitenbildern per LADOGA Faksimile-Gerät und der Radar-Karte, das Empfangen und Senden von Wetterdaten, Wetterberichten und Gefahrenmeldungen.

 

In meiner Zeit im Fuchsbau war die ZFWW meist wie folgt besetzt: Ein Meteorologe, ein Offizier Flugwetterdienst (beide mit Offiziersdienstgrad), ein Leiter oder Diensthabender der Wetterinformationszentrale (DWIZ), meist im Fähnrichsrang, sowie 4 bis 6 Wettertechniker (Unteroffiziere). Wir alle waren verantwortlich, für die Bereitstellung von Wetterinformationen an das diensthabende System, für die Erstellung von Beratungen, Übersichten und Warnungen über das Flugwetter, sowie die fachliche Sicherstellung von Flügen der Staats- und Armeeführung.

 

Im Fuchsbau bestand die Wetterwarte aus folgenden Räumen:

 

301

302

303

304

 

305

307

 

Raum

Beschreibung

 

301

Dieses Zimmer wurde bis zur Wende von der Verwaltung 2000 des MfS genutzt. Als ich in Fürstenwalde meinen Dienst begann, war dieser Raum bereits unbenutzt und wurde von den Wetterfröschen der ZFWW ziemlich schnell „in Beschlag“ genommen, offiziell zur Wetterwarte gehörte dieses Zimmer aber nie. In diesem Raum stand doch tatsächlich ein funktionsfähiger Fernseher. Diesen haben wir zur Fußball-WM 1990 auch des Öfteren benutzt und während des Dienstes einige Spiele oder auch Nachrichten gesehen. Weiterhin wurde dieser Raum von den Wettertechnikern bei Nachtdiensten (etwas inoffiziell) als Schlafraum „missbraucht“. So hatte jeder wenigstens 2-3 Stunden Ruhe. Kaffee und andere Getränke gab es hier natürlich auch.

 

302

Hier befanden sich die Arbeitsplätze des diensthabenden Meteorologen (DM) und des Offiziers Flugwetterdienst (OFWD).

 

303

In diesem kleinen Raum befand sich einige Empfangstechnik, vor allem die LADOGA Fax-Empfänger für die Sat-Karten. Auch wurde hier die Radarkarte empfangen. Diese wurde in einen Rahmen an der Wand eingelegt, von einer Kamera aufgenommen und an spezielle Stellen im Bunker per Video verteilt. Die Radarkarte wurde unmittelbar nach Empfang mit der aktuellen Uhrzeit (Stempel) versehen.

 

304

Der Raum der Wetterinformationszentrale. In Ihm befanden sich die wesentlichsten nachrichtentechnischen Systeme (Rechner, Fernschreiber, ect). In dem keinen Raum danach war die Fernsprechvermittlung für den Wetterdienst installiert.

 

305

Rechnerraum für das Wetterinformationssystem POGODA und den Bildempfang WILMA-4.

 

307

Raum für spezielle Aufgaben, Unterbringung von Verschlüsselungstechnik.

 

Im Raum 304 befand sich auch so eine Art „Datensicherung“ des aktuellen Tages. Für jeden Wettertermin gab es einen eigenen Kunststoffring an einem kleinen Wandregal, links neben den Fernschreibern. Der Lochstreifen des aktuellen Wetters wurde aufgerollt und in dem jeweiligen Ring abgelegt. So stand er für spätere Zwecke noch zur Verfügung.

 

Mit zunehmender Erfahrung fiel es mir persönlich recht leicht, einen Lochstreifen zu lesen. Viele Muster der einzelnen Zeichen hatte man im Laufe der Zeit im Gedächtnis. So war es zum Beispiel kein Problem, mehrere Lochstreifen an der richtigen Stelle zusammenzufügen oder Teile eines Streifens zu kopieren. Besonders das „zczc“ als Startsequenz und das „nnnn“ als Ende-Zeichen hat man nach kurzer Zeit auf einen Blick gesehen.

 

Wie genau man die Sache mit der Verschleierung und Geheimhaltung des Objektes nahm, konnte man auch sehr schön an unseren Telefongesprächen sehen. Wurde mit anderen Flugwetterwarten der NVA gesprochen, so meldeten wir uns mit der Stationsnummer „391“. Bei Kontakten zu unseren zivilen Kollegen aus Potsdam oder Berlin-Schönefeld waren wir am Telefon einfach nur „Strausberg“. Ich denke, sie haben wirklich gedacht, dass Sie mit Strausberg telefonieren und nicht mit dem Fuchsbau in Fürstenwalde.

 

Dienststellen aus dem WDA

 

Irgendwann 1990 kam dann der Zeitpunkt, an dem man sich entscheiden musste, Übergang in die Bundeswehr oder Entlassung aus dem Wehrdienst der NVA. Für mich stellte sich diese Frage aber nie. Ich hatte mich einmal freiwillig für die Uniform eines Landes entschieden und für mich persönlich beschlossen, diese nicht über Nacht auszutauschen. Einen Wechsel zur Bundeswehr habe ich kategorisch ausgeschlossen. Ich wollte da einen ganz klaren Trennstrich. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es für mich genau die richtige Entscheidung war.

 

Dennoch würde mich interessieren, wie die Gefühlslage derer war, die jahrelang in der NVA gedient haben und am 03.10.1990 mit der Uniform des ehemaligen Klassenfeindes zum Dienst antraten. War sicher für viele nicht ganz einfach.

 

 

 

 

Ich erinnere mich noch ziemlich genau, dass ich mein Entlassungsgesuch am Abend des 01. Juli 1990 auf dem Bahnhof Berlin-Schönefeld verfasst habe (am Tag des Viertelfinales der WM `90). Ich reichte es wenige Tage später beim Chef des GA-VI mit der Begründung der bevorstehenden Übernahme durch die Bundeswehr und der Auflösung der DDR ein. Genau genommen, gab es bei diesen Voraussetzungen gar keinen Spielraum, die Entlassung aus dem NVA-Dienst abzulehnen. Trotzdem versuchte man, die Sache noch etwas künstlich in die Länge zu ziehen. So wurden wir aufgefordert, einen Nachweis zu erbringen, dass wir nach dem Verlassen der NVA eine Arbeitsstelle antreten können. Nichts leichter als das, ich habe mir eine schriftliche Bestätigung von meinem damaligen Betrieb ausstellen lassen und sie bei der GA Leitung nachgereicht. Damit war die Sache dann aber auch vom Tisch. Am 23.08.1990 war Rückgabe der Ausrüstung und einen Tag später wurden wir nach einer kurzen Ansprache des damaligen Leiters des FBZ aus dem Wehrdienst der NVA entlassen.

 

An meine Tätigkeit im Fuchsbau sowie an das Arbeitsklima und die ehemaligen Kollegen in der ZFWW habe ich eigentlich nur positive Erinnerungen. Besonders gut ist mir ein DWIZ im Gedächtnis geblieben, der zum Dienst manchmal „Unterhaltungszeitschriften für Erwachsene“, um es vorsichtig auszudrücken, mitbrachte. Mann oh Mann, die Zeit zwischen den einzelnen Wetterterminen war plötzlich viel zu kurz!

 

Für DDR-Verhältnisse hatte ich als Unteroffizier mit 11 Monaten und 19 Tagen sicherlich eine der kürzesten, dafür aber auch eine der historisch und technisch gesehen interessantesten Dienstzeiten in der NVA. Die Arbeit in der zentralen Flugwetterwarte der Luftstreitkräfte hat mir immer großen Spaß gemacht, nicht zuletzt deshalb, weil es eine sehr angenehme und ruhige Tätigkeit war.

 

Gang vor den Räumen der Wetterwarte im Jahr 2007

 

Nach meinem NVA-Dienst bin ich dem Wetter (leider) nicht treu geblieben. Dennoch habe ich in dieser Zeit vieles gelernt, was mir auch jetzt noch von Nutzen ist. Heute beschäftige ich mich mit Programmierung und der technischen Entwicklung von medizinischen Geräten.

 

Im Sommer 2007 hatte ich Gelegenheit, der alten Dienststelle im Fuchsbau einen Besuch abzustatten. Dabei lernte ich auch Bereiche (Führungssaal, Warn- und Alarmzentrale, Rechenzentrale, Funkraum, Rohrpost, Wasserwerk, usw.) kennen, zu denen wir damals keinen unmittelbaren Zutritt hatten. Einen richtigen Überblick über die tatsächliche Größe des Bauwerkes habe ich erst jetzt erhalten.

 

 

 

 

Uffz. a.D.

Torsten Peukert × August 2007 ÷ 2.Revision