gekürzt aus

5. Die Wetterradarsysteme des MD der LSK / LV


Radarsysteme des MD der LSK / LV

Der Ausbildungsstand des fliegenden Personals bei den Luftstreitkräften der NVA wurde vor allem nach 1960 immer besser. Es erfolgten zunehmend Flüge unter schwierigen Wetterbedingungen am Tage und in der Nacht sowie im vom Luftfahrzeugtyp abhängigen Minimumbereichen.

Um hier bei der meteorologischen Sicherstellung den höheren Anforderungen gerecht zu werden, konnten ab 1969/ 70 7 Boden-Wetter-Radarstationen vom Typ BWR-X12 eingeführt werden. Diese Anlagen waren u.a. in PEENEMÜNDE, BRANDENBURG-BRIEST, KAMENZ, KOLKWITZ und CÖLPIN stationiert.

Laut dem ARMY FOREIGN SCIENCE AND TECHNOLOGY CENTER WASHINGTON DC wurde dieses System erstmals im Juni 1966 produziert.

Die Abbildung rechts zeigt ein Messemuster des BWR-X12 Systems, aufgenommen auf der 'alten' Muster·Messe in Leipzig.

Unterlagen aus Recherchen belegen, dass das Institut für Elektronik Dresden IED im Januar 1962 als Nachfolgeeinrichtung des Konstruktionsbüros für Elektromechanik KEB gegründet wurde. Der Zeitpunkt der Gründung des KEB lag noch vor April 1957. Anfang 1960 hatte das KEB etwa 15 bis 20 Mitarbeiter. Es unterstand als volkseigener Betrieb dem Ministerium für Nationale Verteidigung.

In den Jahren 1960 und 1961 entwickelte das KEB als eigenständige Aufgabe ein Gerät zur passiven (!) Radaraufklärung mittels 4 breitbandigen Antennen, deren Keulen in geeigneter Überlagerung die vier Quadranten des Vollkreises erfassten. Aus den Relationen zwischen den Signalen wurden näherungsweise die Einfallsrichtung und andere Parameter bestimmt und somit eine Peilung von Radargeräten in einem relativ großen Frequenzbereich ermöglicht.

Noch als Forschungsmuster wurden die Geräte sowohl zu Lande im Bereich der DDR als auch auf Schiffen der Volksmarine im Ostseegebiet erprobt. Insbesondere die Arbeiten zu den Antennensystemen wurden gemeinsam mit einem für die Nationale Volksarmee arbeitenden Institut in Berlin-Rahnsdorf ausgeführt.

Dieses Verfahren stellte ein Pendant zu der im VEB Entwicklungswerk Funkmechanik Leipzig gleichzeitig durchgeführten Entwicklung eines Ortungsgerätes mit umlaufender Antenne dar. Diese Entwicklung wiederum war der Ausgangszustand für das speziell für meteorologische Bedürfnisse weiter entwickelte Bodenwetterradarsystem.

 Technische Daten BWR - X 12
Sendefrequenz:  9375 MHz
Oszilatorfrequenz:  9340 MHz
Zwischenfrequenz:  35 MHz
Bandbreite:  1 MHz
Impulsfolgefrequenz:  427 / 854 MHz
Elevation:  -2 / +20°
Antennenöffnungswinkel:  20°
Bündelung horizontal:  0,65°
Bündelung vertikal:  1,75°
Bildschirm:  Ø 30 cm
Stromaufnahme:  100 A
Hochspannung:  12 KV
Betriebsspannung:  115 V / 427 Hz
Impulsdauer:  0,5 / 2 µsec
Wellenlänge:  l ~ 32 mm
Sendeleistung:  40 KW
Impulsleistung:  40 W
Empfängerempfindlichkeit:  15 dB
Antennengewinn:  43 dB
Drehzahl:  6 U/min
Reichweite:  300 km
Hersteller:  VEB Funkmechanik Leipzig

Da es ab 1972 Ersatzteilprobleme gab und eine Weiterproduktion dieses Gerätes unwirtschaftlich war, wurde vom gleichen Hersteller als Nachfolger das Schiffsradargerät TSR-1 mit 11 Exemplaren erworben. Es reichte für eine Wetterüberwachung im Bereich bis 150 km. Die Brauchbarkeit dieses Typs war unterschiedlich. Z.B. machte ROTHENBURG schlechte, BRANDENBURG-BRIEST dagegen sehr gute Erfahrungen. Allgemein war vorgesehen, diese Geräte zu modifizieren. Dies u.a. durch eine Erhöhung der Vorverstärkung, eine geänderte ZF-Anlage sowie eine andere Antennensteuerung.

Eine erste umgebaute TSR-1 befand sich neben dem Mustergerät an der AMS in STRAUSBERG am Standort MARXWALDE im Einsatz.

Die meisten einsatzbereiten Anlagen arbeiteten bis zur Schließung der Flugwetterwarten. So z.B. in BRANDENBURG-BRIEST bis 1994 die TSR-1 und in PEENEMÜNDE, wo das BWR-X12 von 1970 bis zum Sommer 1991 infolge eines effektiven Wartungs- und Servicevertrages mit Schiffselektronik Rostock sehr gute Dienste leistete.

  BWR-X12 - Antennensystem auf der Flugleitung in PEENEMÜNDE.
  Das Sichtgerät befand sich in der gedeckten Flugleitung, ca. 50-100m daneben. Auf der alten Flugleitung,
  in dem sich anfangs auch die FWW befand, ist noch der Stahlmast mit den Steigeisen zu sehen, auf dem
  sich der mechanische Böenschreiber von JUNKALOR befand, wo das Aufzeichnungsgerät sich senkrecht
  unter dem Windgeber befinden musste. Ganz rechts ist der Mast mit dem elektrischen Böenschreiber
  sichtbar. Historische Aufnahme von 1991
  Melde- und Beobachtungsturm auf der Insel Ruden, gleichzeitig 5000m Punkt des FP Peenemünde.
  Historische Aufnahme von 1988 mit Antennenträger eines BWR-X12a Systems der Volksmarine. © Horst88-1
  TSR-1 - Antennensystem auf dem Dach der ehemaligen Flugleitung in PRESCHEN.
  Die Aufnahme entstand am 16.04.1994 anläßlich eines Treffens ehemaliger Flugmeteorologen.

1989 war der Einsatz einer TSR-Weiterentwicklung TSR-333 für PAROW geplant. Auch für ornithologische Überwachungen gab es Vorstellungen über einen Einsatz dieses neuen Gerätes, es sollte u.U. am neuen Standort des ILN in Greifswald-Neuenkirchen installiert werden.

Die Abbildung rechts zeigt das Sichtgerät sowie das Steuerpult eines TSR-333 Systems. Dieses System stellte eine transistorisierte Schiffsfunkmeßanlage für den Einsatz zur Navigation, nautischen Sicherstellung der Schiffsführung und des Kollisionsschutz dar.

Auf Grund ihrer technischen Eigenschaften, einer starken horizontalen Bündelung der ausgestrahlten Energie und durch die Rotation der Antenne, konnten gleichzeitig Peilung und Entfernung zu einem Ziel mit hoher Genauigkeit ermittelt werden. Sie wurde deshalb von Anfang an zur Seeraumbeobachtung eingesetzt und wurde in ihrer direkten militärischen Nutzung auch zur Steuerung des Waffeneinsatzes benutzt.

Diese Technik wurde hauptsächlich als Funkmeßsystem zuerst in die Schiffe der Kondor-Klasse (NATO-Code) für eine Klasse von Minensuch- und Räumschiffen MSR der Volksmarine der DDR eingebaut. Die Schiffe trugen in der VM die Projektnummer 89.1/2. 1984 erfolgte eine Umklassifizierung der Schiffe zum Küsten-Minenabwehrschiff MAW. Die Planungen zum Projekt 89.0 wurden 1965 vom Institut für Schiffsbautechnik Wolgast ISW und der Peenewerft durchgeführt. Ab 1967 begann dann die Fertigung. Bis 1970 wurden 21 Schiffe für die Volksmarine gebaut.

Weiterhin in die Schiffe der Balcom-Klasse (NATO-Code) für eine Klasse von kleinen U-Boot-Jagd UAW Schiffen, seit 1984 als Küstenschutzschiffe 3. Ranges KSS bezeichnet. Diese waren eine Eigenentwicklung der DDR mit sowjetischer Technik und wurde unter Projekt 133.1 geführt. Der Entwurf wurde in der Peenewerft Wolgast ab Februar 1972 veranlasst, Baubeginn war ab Herbst 1978. Insgesamt wurden 16 Einheiten gebaut.

Die TSR 222 in die Leichten Torpedo-Schnellboote LTS der Volksmarine des Projektes 63, die Entwicklung und der Bau erfolgte wiederum in der Peenewerft Wolgast. Das erste Serienboot wurde am 25.Juli 1964 übernommen. Insgesamt wurden 30 Boote in Dienst gestellt, die Außerdienststellung des letzte Bootes erfolgte am 31. März 1977. Die TSR-Systeme wurden dabei später ca. ab 1970 im Rahmen eines Modernisierungsprogrammes eingebaut und ersetzten ein älteres Funkmesssystem.

Der Begriff 5000m Punkt des FP Peenemünde wurde von den Erstnutzern der Einrichtung geprägt. Er hat nichts mit dem späteren 4000m Punkt des Platzes ETPE, der im Wesentlichen durch das JG-9 genutzt wurde, zu tun. Dieser befindet sich als kleiner Turm im Wasser und ist (noch) vorhanden.

Der auf dem Foto dargestellte, ehemalige Meßturm wurde etwa 1940 gebaut und gehörte zur Meßbasis der Erprobungsstelle der Luftwaffe Peenemünde - West. Ähnliche Meßstände befanden sich auf den Inseln Greifswalder Oie, Rügen und Bornholm. Diese wurden zur Flugbahnbeobachtung bei der Erprobung vorwiegend der Vergeltungswaffen V1, V2 & V3 eingesetzt. Nach Beendigung des II. Weltkrieges sollte der Turm zunächst gesprengt werden, dies konnte durch den Einspruch des Wasserstrassenamtes Stralsund verhindert werden. Anfangs der 50er Jahre richtete man hier eine Signalstelle ein. In den frühen 60er Jahren wurde auf dem ehemaligen Meßturm eine Funkstelle der Volksmarine installiert.

Konkret war dort ein 24 Mann umfassender Technischer Beobachtungszug disloziiert, einer von 12 der Grenzbrigade Küste. Und diese nutzte die abgebildete Funkmeßanlage. Und genau ab hier wird es etwas unklar. Verschiedene Quellen sprechen von dem TSR-333 als Ersatz für eine BWR-X12a. Aber für eine sowjetische Variante. Dieser BWR-Typ soll auch auf Schiffen vorwiegend der Baltischen Flotte verbaut worden sein. Leider verhalten sich russische Quellen dazu bisher völlig unkooperativ. Es ist dabei alles denkbar:
  • es war die deutsche Orginalversion, die auch in sowjetischer Militärtechnik verbaut wurde
  • es war eine sowjetische Lizenzproduktion der deutschen Version
  • es war eine illegaler Nachbau der deutschen Version
Die auf dem obigen Foto zu sehende Anlage wurde zur Überwachung des Seeraumes am östlichen Ausgang des Greifswalder Boddens eingesetzt und normalerweise im 10 Seemeilen (Sicht-)Bereich betrieben, aber bei gutem Funkmesswetter konnte man bis Bornholm und weiter sehen. Auf der Nachbar-Insel Greifswalder Oie war zusätzlich ein System MR-10 installiert.

Im meteorologischen Dienst kam eine modifizierte Version mit geringerer Auflösung, höherer Verstärkung und geringerer Bündelung der Strahlkeule zum Einsatz.

 Technische Daten TSR - 333 / 222
Wellenlänge:  l ~ 30 mm
Durchschnittsleistung:  Magnetronsender HMI-952
Reichweite Strahler·Länge 222 mm:  20 km
Reichweite Strahler·Länge 333 mm:  70 km
Antenne:  Schlitzstrahler AS 2/3 inkl. Getriebe & Antrieb
Abstrahlung:  horizontale Bündelung < 1°
Stromversorgung:  statischer Umformer mit Drehstromvorsatz
Hersteller:  VEB Gerätewerk Leipzig

Unabhängig von den genannten Radargeräten wurde an den meisten Geschwader-Flugplätzen die dort für die Flugsicherheit vorhandenen Funkmessstationen gelegentlich für die Ortung meteorologischer Ziele (vor allem bei gewitterverdächtigten Echos) genutzt. So konnte sich z.B. schon 1963 der für den Flugdienst verantwortliche Meteorologe in Neubrandenburg persönlich an den Sichtgeräten der P-30 und des Höhenfinders PRW-10 über geortete Echos im horizontalen und vertikalen Regime informieren.

Die größte Investition des MD der LSK / LV auf dem Wetter-Radar-Sektor war 1970 die Einführung und Inbetriebnahme der sowjetischen Wetterradarstation MRL-1 am Flugplatz Strausberg-Nord.
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